Aus: Erlebnisse mit Mister Ium
von Demian zur Strassen

An einem lauen Sommerabend saß ich unter einer Linde und hörte meiner Lieblings-Amsel zu. Da erschien Mister Ium und setzte sich neben mich. Wir saßen still und lauschten.

Plötzlich hörte ich Mister Ium wie im Selbstgespräch: »Wer sind diese Leute, dass sie so vehement darauf bestehen, sie wären nicht ihre Körper? Auch von ihren Gefühlen wenden sie sich ab, und ihr Denkorgan verdammen sie! Mögen sie ihre Körper nicht? Ihre Fähigkeit zu fühlen und zu denken? Was ist geschehen?«

»Oh«, sagte ich zu ihm, »das ist einfach zu verstehen: diese Leute haben sich jahrelang im Hin und Her Ihrer Gedanken verloren; sie haben am Auf und Ab ihrer Gefühle gelitten, und sie haben es satt. Also fangen sie an zu suchen: den Sinn des Lebens, das Glück und sich selbst. Satsang-Lehrer erinnern sie schliesslich daran, dass Körper und Gefühle kommen und gehen und vermitteln ihnen die erlösende Einsicht, dass sie nicht ihre Körper sind. Diese Lehrer geben ihnen auch die eigentliche Frage auf, nämlich zu erkennen, wer sie in Wahrheit sind. Und so fragen sich diese Leute immer wieder: ‘Wer bin ich?’.

Und manche erkennen dann, und viele glauben einfach, dass sie reines Bewusstsein sind – der unermesslich weite, raumlose Raum. Der ewige Raum, aus dem alles entsteht und in dem alles geschieht.«

»Und das, was durch sie geschieht, wollen sie nicht sein?« fragte Mister Ium. »Wie könnten sie das sein, was kommt und vergeht?« fragte ich zurück. »Ach so, diese Menschen haben wohl eine Abneigung gegen den Wandel der Formen? Grenzen sie sich deswegen gegen diesen Aspekt der Schöpfung ab? Ist es das? Halten sie sich noch zu sehr an einer bestimmten Form der Schönheit fest, so dass sie den Wandel in eine andere Form der Schönheit nicht genießen können? Ist für sie Genießen gleichbedeutend mit Festhalten-Wollen? Können sie deswegen nicht mit dem ewigen Strom fließen, der im Kommen und Gehen ihres Körpergeistes liegt? Suchen sie das Ewige aus Angst vor dem Vergehen – dem scheinbaren? Das Kommen und Gehen, der Wandel der Formen ist doch auch ewig!«

Mir surrte etwas der Schädel und Mister Ium machte eine Pause. So saßen wir eine Weile in Stille, bis ich sagte: »Der ewige Wandel – ja, schön und gut, aber wer bin ich darin?« »Oh,« sagte Mister Ium: »Ich, jedenfalls, bin sowohl der Raum, aus dem alles entsteht, als auch das, was kommt und vergeht. Ich bin in allem. Das, was du den Raum nennst, ist ewig, und Kommen und Gehen ist ewig. Und ich bin nicht halb. Ich bin in beiden Aspekten des Ewigen. Warum nur verwehren sich diese Leute?« Es klang richtig ein wenig schmerzlich, als Mister Ium das sagte.

Mir drehte sich immer noch der Kopf und so brauchte ich eine Weile, bis ich vorsichtig sagte: »Ich glaube, diese Menschen hatten vergessen, dass sie reines Bewusstsein sind, in all dem Trubel, mit dem sie sich herumplagen. Und nun sind sie froh, sich an die Stille zu erinnern, die sie in Wahrheit sind.«

Er sagte: »Ja, sich an die Stille, an das Bewusstsein erinnern, aus dem man kommt, ist gut, wenn man es vergessen hat. Und ein bisschen Heimweh schadet dann auch nicht. Es ist wie ein Weckruf der Erinnerung. Aber muss man nur wegen ein bisschen Heimweh gleich auf der Hälfte der Reise umkehren? Diese Leute sind noch weit entfernt davon, ihren Körper ganz mit Bewusstsein und Licht zu durchdringen und zu beseelen. Sie könnten im Bewusstsein ruhen und den Körper ganz beseelen. Dann würden sie erkennen, dass auch der sich wandelnde Körper ewig ist.

Und nicht nur das: sie könnten ihn genießen und feiern und Liebe, Bewusstheit und Schönheit auf der Erde vermehren!«

Es kam mir langsam so vor, als würden wir am Wesentlichen vorbeireden, und deswegen wandte ich ein: »Aber Mister Ium: wenn einer sich fragt: ‘Wer bin ich’, dann landet er niemals bei einer sich ändernden Form. Er landet, wenn er sich tief genug fragt, in der Dimension, aus der er alles wahrnimmt. Und diese Dimension kann doch nur formlos sein, reines Bewusstsein, gegenstandslos, unveränderlich!« Ich war stolz, das ich das so schön formuliert hatte und so war auf ich auf die Antwort nicht gefasst.

Mister Ium sagte: »Nun, das ist eine Seite der Wahrheit, und es ist wunderbar, wenn sie erkannt wird. Vor allem, wenn jemand jahrelang so getan hat, als wäre er sein Denkorgan.

Aber es ist nicht die volle Wahrheit, und daran festzuhalten, trennt und macht einseitig. Und achte mal darauf, diese Einseitigkeit hat einen Grund: Wenn sich diese Menschen fragen ‘Wer bin ich’, dann schwingt eine unausgesprochene Aufteilung und Eingrenzung mit. Sie fragen eigentlich: ‘Wer bin ich als das, was sich nicht verändert.’ oder ‘Wer bin ich als wahrnehmendes Bewusstsein’. Wenn sie sich außerdem auch fragen würden: ‘Wer bin ich als Energiestrom ins Leben’ oder ‘Wer bin ich als sich wandelnde Energie‘, dann würden sie auch die andere Seite der Wahrheit erkennen.«

Nun wurde es mir doch zu abgehoben. Ich sagte: »Aber wenn ich auch mein Körper bin, dann stirbt doch dieser Teil! Oder willst du etwa sagen, dass mein körperlicher Anteil dann in Erde und Würmern weiterlebt und in Wurzeln und Bäumen und Beeren und Vögeln?« Ich war inzwischen etwas aufgebracht.

Aber Mister Ium schaute mich nur mit großen Augen an und fragte leise: »Was weisst du wirklich vom Tod? Jetzt, in diesem Moment sterben unzählige deiner Zellen und unzählige werden neu geboren. Du atmest ein, was die Bäume ausatmen, und deine Zellen bilden sich aus dem, was die Erde hervorbringt. Du existierst durch einen Stoffwechsel im Kraftfeld der Sonne und der Erde, der dich ständig durchströmt. Und doch denkst du, dass dein Körper stirbt, wenn dein Herz nicht mehr schlägt und die Bestandteile deiner Körperzellen neue Verbindungen eingehen.

Das ist wohl wie bei dem einzelnen Wassertropfen, wenn er mit anderen Tropfen in Berührung kommt und zugunsten der größeren Einheit seine kleine Hülle verliert: er denkt vielleicht, dass er aufhört zu existieren. Es ist gut und soll so sein, dass er den Drang hat, als einzelner Tropfen zu bestehen, dazu hat er seine Oberflächenspannung. Aber das ist nur vorübergehend für das Formenspiel wichtig. Und wenn sich der Wassertropfen fragt, wer er ist, wird er erkennen, dass er Teil des Ozeans ist.

Und wenn du ganz in deinem Körper ankommst, wirst du wissen, dass er ein sich ständig wandelnder Prozess ist, den du nicht vom Umfeld trennen kannst. Spätestens dann wird deine Oberflächenspannung nachlassen. Und ausserdem: was hast du dagegen, dass Amseln dir so nahe sind? Oder besser: dass sie zum erweiterten Feld deines Organismusses gehören?«

Ich schaute wohl noch verwirrter, denn Mister Ium setzte hinzu: »Experimentiere einfach mit beiden Fragen! Dann wirst du nicht nur erkennen, dann wirst du sein, was du in Wahrheit bist!« Damit lächelte er mir zu und ging.

Auf dem Weg nach Hause war ich ziemlich aufgewühlt. Was Mister Ium gesagt hatte, widersprach in vielen Punkten meiner Sicht der Dinge. Aber irgendwie war auch was dran. Waren ich und einige meiner Freunde tatsächlich in eine künstliche Distanz zum Lebendigen geraten, einfach durch die Art, wie wir nach dem »Wer bin ich« fragten?

Zuhause angekommen entdeckte ich in meinem Briefkasten einen schönen Umschlag mit einem Brief von Mister Ium. Darin war ein kleiner Text mit dem Titel “Oceanic Awakening“.

Ich muss zugeben, dass ich nicht recht weiß, was ich davon halten soll. Ich habe ihn unten mal verlinkt. Für fachmännische und -frauliche Kommentare aus der Satsang-Szene wäre ich dankbar – für jede Art von Kommentaren.

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